Wie will ich leben?

Wie will ich leben?

Weibliche und männliche Energiequalitäten

In Märchen und Mythen, im Zauber von Mann und Frau, werden diese beiden Energiequalitäten in den Bereich des Göttlichen erhoben. Indien vereint Liebesmythos und Schöpfungsmythos. So tat es auch die alte Religion in Europa, im Mythos der Göttin und ihres Gefährten, des Gehörnten Gottes, der ihr Kind, Geliebter und Beschützer ist.

Diese Wurzeln liegen in der Tiefe der menschlichen Geschichte. Es ist nicht nur eine hinduistisch-buddhistische Kosmologie, sondern steht auch an der Wiege unserer Kultur. Das Weibliche und das Männliche haben dort ihren ganz bestimmten Platz, und die beiden sind sehr verschieden voneinander.

Das Weibliche ist die Urkraft, die göttliche Energie, aus der das ganze Universum mit allem was existiert, vom Milchstraßensystem bis zum Sandkorn, geboren ist.

Die männliche Kraft repräsentiert das Bewusstsein.

Im indischen Schöpfungsmythos ist  das Universum – und darinnen auch der Mensch – der Verwebungs- und Verflechtungsprozeß dieser beiden kosmischen Prinzipien. Das Universum wird als ein lebendiges Wesen gesehen, das in immer wiederkehrenden Zyklen stirbt und neu geboren wieder erscheint.

Das Göttliche zeigt sich in dualistischen Formen. Und so gibt es das ewige Spiel von Mann und Frau, das Suchen und einander Finden, das magische Spiel der Liebe, dem sich doch keiner so recht auf Dauer entziehen kann und ohne auszutrocknen.

Mann und Frau haben spezielle Charakteristiken und Eigenschaften.

Eine Frau – das Weibliche Prinzip, welches genauso gut in einem männlichen Körper leben kann – ist fürsorglich, unterstützend, einfühlsam, hingebungsvoll und intuitiv. Eine Frau kann sich endlos geben für das Glück eines anderen, der es wirklich braucht, z.B. für ein Kind. Sie hat eine große Leidenschaft und eine große Geduld. Sie ist die wahre Göttin, hier auf der Erde hat sie das Sagen in der Liebe. Der Mythos spricht davon, dass es keinen anderen Weg zum Glück gibt als den, den eine Frau uns eröffnen kann. Und auch wenn sich ihr Partner in Arbeit, Erfolg und Karriere stürzt, findet er doch nie das dort, was er in der Liebe mit ihr finden könnte, egal was er behauptet. Befriedigung vielleicht, aber niemals Erfüllung. Seltsam und irrational ist sie, welcher Mann kann sie wohl je verstehen? Sie ist die Verkörperung der Schöpfungskraft und ihre weibliche Macht spiegelt sich in vielen Göttinnen-Gestalten, vom Liebreiz der Aphrodite bis hin zur Zerstörungsgewalt der Kali. Was immer sie tut, verführen, ernähren, heilen oder zerstören und wüten – sie tut es im Namen der Liebe und der Wahrheit.

Ein Mann – das Männliche Prinzip, welches genauso gut in einem weiblichen Körper leben kann – gibt Schutz und sorgt für Gerechtigkeit. Er ist bereit, in die Welt zu gehen, Verantwortung zu tragen, um für sich, seine Frau und seine Familie sorgen zu können. Und die Welt ist ein stressiger Platz, er muss sich auseinandersetzen und sich behaupten. Er hat das ihm eigene Gefühl, der Beschützer und Ernährer zu sein, der Starke, der Krieger. Er ist bereit, es mit der Existenz aufzunehmen und seinen Weg zu gehen, bereit, die Schlachten dieser Welt zu schlagen, in welchen Sinn auch immer, sozial, politisch, sogar in einer sehr fehlgeleiteten Art, im Krieg. Er hat diese Art, für das zu sterben, was er glaubt. Das hat seine Wurzeln in früheren Zeiten der Menschheit, als er um Leben und Tod kämpfen musste, um den Angreifer zu töten und die Liebe seiner Frau zu schützen. Er hat die Fähigkeit, mit den Angelegenheiten des Lebens aufrichtig, ehrlich und rechtschaffen umzugehen. So in der Auseinandersetzung mit der Welt gewinnt er die Fähigkeit, zu lieben. Er gewinnt etwas, was er seiner Geliebten geben kann, das wiederum gibt ihm Männlichkeit, Macht und Autorität. Das wird in den Bildern der Mythen und Märchen so ausgedrückt, dass ein Mann nicht eher die Prinzessin heiraten darf, ehe er nicht mit Drachen gekämpft, Ungeheuer getötet, Gefahren überwunden, etwas Verlorengegangenes gefunden oder Rätsel gelöst hat. Ein Mann macht sich glücklich, indem er seine Frau glücklich macht.

Doch wie ist es dann nur möglich, dass sich diese beiden Prinzipien eher zerstreiten als verweben?

Beide fühlen die gleiche Sehnsucht nach Vereinigung durch körperliche Liebe.

Doch sind beide auch im Laufe von 25.000–30.000 Jahren Vergangenheit immer härter und verschlossener geworden, aber die Auswirkungen sind bei beiden verschieden. Die Selbstverlorenheit des Mannes – des männlichen Prinzips – zeigt sich in seiner dauernden Unruhe und dem Drang, ständig etwas tun zu müssen. Er hat keine Zeit mehr für die Liebe, stattdessen läuft er hinter einer Aufregung hinterher, genannt Orgasmus und Sex. Er ist sexbesessen geworden, denkt an Sex, phantasiert über Sex selbst dann sogar, wenn er mit einer Frau zusammen ist und die reale Liebe haben könnte. Er weiß gar nicht, dass er in dieser Art von Sex sein eigenes Leben zurückweist: sein Selbstvertrauen, seine Fähigkeit, die Hingabe einer Frau anzunehmen und ihr wirklich zu begegnen. Er ist zufrieden mit Spannungsabfuhr und Orgasmus. Meist weiß der Mann nicht mehr, wie er die Frau richtig lieben, d.h. wie er in der Vereinigung mit ihr ihre weiblichen Energien aufnehmen kann. Das hat verschiedene Folgen.

Wenn er bei der Sexualität fantasiert, ist er gar nicht mit der Frau zusammen, mit der er sich vereinigt, sondern mit irgendeiner Phantomfrau der Sexshops. Die Frau spürt das und fühlt sich entweder einsam oder flüchtet ihrerseits in ihre Fantasien. So sind beide Traumwelten voneinander entfernt anstatt vereint. Oder er verdrängt sein Bedürfnis nach Sexualität und Liebe, verliert sich in Arbeit und der Jagd nach Geld, oder diese verdrängten Bedürfnisse wandeln sich in Rastlosigkeit, sogar Wut und Gewalt. Eine andere mögliche Folge ist auch Impotenz und vorzeitiger Samenerguss aufgrund von Selbstzweifeln und Versagensängsten, er wagt es nicht, einer Frau zu begegnen. Oder er gibt sich sexuellen Abenteuern hin und verliert seine Fähigkeit zu Tiefe und Bindung. Es mangelt ihm an echter Weisheit und er unterminiert, was Frauen sagen.

All das trägt er bei der Vereinigung in die Frau hinein und verstärkt, ohne es zu wissen, wiederum ihre Unzufriedenheit und seine Unruhe. Denn wenn Mann und Frau sich vereinigen durch Sexualität, „verweben“ sie sich miteinander, sie tauschen emotionale, sexuelle und spirituelle Energien miteinander aus.

Dieser Energieaustausch, diese Aufnahme der weiblichen Energien ist es, was ein Mann braucht, um ausgewogen und ausgeglichen zu sein. Denn die männliche Energie strebt vorwärts, ist aktiv und expansiv, und kann einen Mann dazu bringen, wie mit Höchstgeschwindigkeit durch das Leben zu rasen, ohne die Landschaft rechts und links wahrzunehmen. Die weibliche Energie gibt ihm Ruhe, sodass er zu sich selbst, zu seiner Mitte zurückfinden kann. In der Sexualität liegt die Möglichkeit verborgen, dass ein Mann und eine Frau wieder sie selbst werden, d. h. für einen Mann, dass er seine ursprüngliche Macht und Autorität zurückgewinnen kann. Doch dazu muss er Mann genug sein, d.h. fähig, einer Frau zu begegnen und ihre Hingabe anzunehmen. Mit ihr ins Bett zu hüpfen und Sex zu haben, womöglich noch mit wechselnden oder mehreren Partnerinnen, reicht dafür nicht aus. Und was ist mit der Frau im Laufe der Zeit geschehen?

Sie ist ebenfalls von ihren Wurzeln abgeschnitten, weiß und fühlt oft selbst nicht, was sie will und braucht und wie sie es ihrem Partner mitteilen kann. Das hat sich geschichtlich so entwickelt – und von daher auch persönlich für fast jede Frau im Laufe ihrer Kindheit.

 Auch die Frauen wissen nicht mehr, wie sie sich auf erfüllende Art und Weise mit einem Mann vereinigen können. Meist wird die Sexualität so gelebt, dass die tiefen, fundamentalen weiblichen Energien gar nicht berührt werden, gar nicht zum Fließen kommen, und die Frau daher ständig das Gefühl hat, etwas Wichtiges fehlt. Diese Energien sind aber da und müssen fließen, und können sie es nicht, werden wir Frauen unglücklich. Dieses Nicht- Fließen-Können ist der Grund für all das Genörgel, die Unzufriedenheit, den Selbstzweifel, Schuldgefühle, Ängstlichkeit, den Mangel an wirklicher Weisheit und die sexuellen Störungen der Frau, die Menstruationsbeschwerden, die körperlichen Krankheiten der Sexualorgane. Auch sie ist gestresst und ständig beschäftigt, was eine der größten Fesseln der Liebe darstellt. Sie ist heute oft in einer gewissen Härte, wie Marmor, dem Mann gegenüber. Ihre Erfahrungen, vor allem ihre sexuellen Erfahrungen, haben ihre Liebe eingeschlossen. Sie hat Angst vor der Liebe in ihr, denn sie ist verbunden mit Enttäuschungen, Schmerzen und Kompromissen.

Durch die Art und Weise, wie die Vereinigung normalerweise stattfindet, fühlt sie sich nicht geliebt und wird immer unzufriedener, frustrierter, tränenreicher und nörgelnder. Ihre Vorwürfe nehmen immer mehr von seiner Männlichkeit und um so weniger ist er in der Lage, ihr zu begegnen und sie zu lieben. Im Zusammensein findet immer weniger ein Austausch von Liebe, der männlichen und weiblichen Energien statt.  Stattdessen verstärken sich Groll, Unzufriedenheit, Traurigkeit, Resignation durch den Austausch und damit die Distanz. Aufgrund dieser Lebensweise sind unsere Körper oft so blockiert, so verschlossen, dass sie die feine und intensive Energie der Liebe gar nicht mehr ertragen können. Stattdessen wird unser Körper von einer anderen Energie bewohnt, dem Schmerz – oder Unglückskörper.

Doch bevor ich darauf eingehe, möchte ich anhand des Themas Menstruation noch deutlicher zeigen, wie wichtig es für eine Frau ist, wieder neu zu verstehen und zu leben, wer sie ist und wo ihr Platz in der Liebe, in der Welt und in der Beziehung zu anderen ist. D. h. sie muss wieder zu dem Bereich in ihr Kontakt finden, der jenseits von Mustern, Vorstellungen und Glaubenssätzen ist, jenseits gesellschaftlich vorgegebener Rollenvorstellungen. Je mehr sie diesen Bereich findet, umso mehr kann sie sich aus ihrer Opfer-Identität lösen und wieder die Führung in der Liebe übernehmen, d. h. ihre Partnerschaft so gestalten, dass sie lieben kann.

Sie wird dann ihren Mann darum bitten, ihr zu geben, was sie braucht, ihm die Richtung weisen, sowohl in der Sexualität als auch im Alltag. Dieser Bereich ist die Stille und Präsenz der Gegenwart, und der Weg dahin ist, wie uns Mythen und Märchen zeigen, ein Abstieg in die  Dunkelheit, durch Schmerz und Verwirrung. Er begegnet Frauen oft zur Zeit der Menstruation – aber auch zu anderen Zeiten. Doch während der Menstruation meldet sich der kollektive Aspekt der weiblichen Psyche, der Schmerz, der über Tausende von Jahren durch Krankheit, Folter, Krieg, Mord, Grausamkeit, Vergewaltigungen und Sklaverei angesammelt wurde bzw. durch unsere Verweigerung, all das zu fühlen. Dann erwacht dieser Schmerz aus seinem Ruhezustand und viele Frauen erleben gerade zu dieser Zeit eine große Gereiztheit, Übellaunigkeit und Unausstehlichkeit. Dieser Schmerz behindert den freien Energiefluss durch den Körper, und die Menstruation ist ein körperlicher Ausdruck dieses Flusses. Wenn eine Frau diesem Schmerz begegnet, in die Dunkelheit hinabsteigt, kann sie ihn nach und nach auflösen. Diesem intensiven Schmerz kann nur durch eine intensive Gegenwärtigkeit begegnet werden, in voller Wachsamkeit und Aufmerksamkeit. Das löst die Umwandlung aus. So erhält eine Frau die Aufgabe zurück, die ihr Geburtsrecht ist, eine Brücke zu sein zwischen der manifesten Welt und dem Unmanifesten, zwischen dem Körperlichen und dem Geist, dem Menschlichen und Göttlichen. Dann kann ihre wahre Natur wieder aufstrahlen, sowohl im weiblichen Aspekt der Göttin als auch im transzendenten Aspekt, jenseits von männlich und weiblich, jenseits der Dualität.

Über den Unglückskörper/Schmerzkörper

Jener andere Bewohner unserer Körper, der Schmerzkörper, ist dadurch entstanden, dass wir Menschen im Verstand und Körper eine Menge emotionale Verletzungen seit unserer Kindheit angesammelt haben. Emotionale Verletzungen lassen einen Restschmerz in uns zurück, über den wir nachdenken, durch den wir handeln, von dem wir erzählen. Er lebt in uns immer weiter, vermischt sich mit altem Schmerz und bildet schließlich im Laufe der Jahre ein negatives Energiefeld, fast wie ein unsichtbares Wesen mit einer eigenen Persönlichkeit. Er ist entweder ruhend oder aktiv. In manchen Menschen ist er zu 90 % der Zeit ruhig, in einem sehr unglücklichen Menschen ist er möglicherweise die gesamte Zeit aktiv. Einige Unglückskörper sind stärker, andere schwächer. Manche sind wie kleine Kinder, die nicht aufhören wollen, zu quengeln und zu jammern. Andere sind bösartige und destruktive Monster, wahre Dämonen. Einige sind körperlich, viele sind emotional gewalttätig. Manche greifen ihnen nahestehende Menschen an, andere uns selbst, ihren Wirt. Dann neigen wir zu sehr negativen und selbstzerstörerischen  Gedanken bis hin zum Selbstmord. Der Unglückskörper kann sich als Verärgerung ausdrücken, als Ungeduld, Wut, Depression, Trauer, Gewalt oder sogar Krankheit, finstere Stimmung oder den Wunsch zu verletzen,  als Bedürfnis nach Drama oder Aufregung in Deiner Beziehung, als der Wunsch, um jeden Preis recht haben zu wollen. Er ernährt sich von diesen Energiefrequenzen, er kann sich nicht von Freude und Liebe ernähren. Die sind für ihn ziemlich unverdaulich. Stattdessen braucht er uns, unsere Identifikation mit ihm, er kann dann aufstehen, „ich werden“, sich unserer bemächtigen, von Erfahrungen leben, die mehr Schmerz und Unglück bringen, d. h. Situationen erschaffen, die ihm seine eigene Energiefrequenz zurückgeben.

Dann werden wir zum Opfer oder zum Täter. Dann dreht sich unser Denken und Handeln unbewusst darum, den Schmerz und das Unglück am Leben zu erhalten, für uns selbst und für andere. Wir erleben das beispielsweise als Grübeln, nicht aufhören wollende Gedanken wie „das hätte ich ihm/ihr sagen sollen“,  Rachegedanken oder Sorgen. Ein weiteres Beispiel: Wenn Wut die vorherrschende  Schwingung unseres Schmerzkörpers ist, wenn unsere Gedanken wütend damit beschäftigt sind, was jemand uns angetan hat und was wir ihm oder ihr antun wollen, dann sind wir unbewusst geworden und der Unglückskörper ist „ich“ geworden. „Unbewusst“ bedeutet: mit Gedanken und Emotionen identifiziert zu sein, zu glauben, dass ich diese Gefühle und Gedanken bin. Das ist seine aktive Seite.

Die ruhende Seite ist wie eine Art Hintergrundgefühl oder Unterströmung aus Unbehagen, Langeweile, Unzufriedenheit oder Unruhe und Nervosität,  die man vielleicht gar nicht bemerkt, denn sie ist so sehr Teil des normalen Lebens geworden wie all die leisen Hintergrundgeräusche – das Summen des Eisschranks oder des Computers beispielsweise, die man erst bemerkt, wenn sie aufhören. Dazu gehören auch ein Gefühl von Anspannung und die Unfähigkeit, mit dem Denken aufzuhören, wirklich präsent und hier zu sein. Manche Menschen spüren ihn auch als Drang, immer etwas tun zu müssen, sich gedrängt und gehetzt zu fühlen.

Carl Gustav Jung erzählt in einem seiner Bücher von einer Unterhaltung mit einem amerikanischen Indianerhäuptling, der ihn darauf hinwies, dass in seiner Wahrnehmung die meisten Weißen angespannte Gesichter, starre Augen und ein grausames Benehmen haben. Er sagte.“ Sie suchen ständig nach irgendetwas. Wonach suchen sie? Die Weißen wollen immer etwas. Sie sind immer unruhig und rastlos. Wir verstehen nicht, was sie wollen. Wir glauben, dass sie verrückt sind.“

Dieser Schmerzkörper, das Ego, drängt uns zu solcherlei Verhalten und scheint so mächtig. Es hat eine sehr unglückliche und außergewöhnlich grausame Zivilisation geschaffen, die nicht nur für sich selbst, sondern für alles Leben auf diesem Planeten zur Bedrohung geworden ist. Und doch ist es nichts weiter als ein Phantom, eingeschlossene Lebensenergie, die von der Ganzheit unseres Energiefeldes abgespalten ist. Aber sogar die lebenszerstörenden Kräfte sind immer noch Lebensenergie.

Dieses Ego gestaltet auch unsere Beziehungen. Davon möchte ich als nächstes sprechen, von

Den Dimensionen der Liebe

Zunächst gehe ich darauf ein, welche Art von Beziehungen ein Schmerzkörper erschafft, welche wir als bewusste Wesen erschaffen können und schließlich, wie Beziehungen aussehen könnten, die die Liebe selbst erschafft.

Von der letzteren wissen wir, dass es so etwas geben muss und etwas davon klingt in uns auf und beginnt zu schwingen, wenn wir verliebt sind – aber ach! Wir wähnen uns im Paradies, aber unser Unglückskörper gibt uns nur eine kurze Atempause und wir fühlen uns auf intensive Art lebendig. Plötzlich macht unser Dasein Sinn, denn da ist jemand, der uns braucht, der uns will, für den wir außergewöhnlich sind, und wir geben dieser Person das Gleiche. Dieses Gefühl kann so überwältigend sein, dass der Rest der Welt davor verblasst.

Der Beginn einer romantischen Liebesbeziehung verspricht die Befreiung von unserem tiefen Zustand der Angst, Bedürftigkeit, Mangel und Unvollkommenheit. Wenn wir mit der geliebten Person zusammen sind, fühlen wir uns ganz. Doch leider ist dieses High-Sein selten Zeichen einer großen Liebe, sondern eher Zeichen einer großen Bedürftigkeit und Abhängigkeit, er oder sie wirkt auf uns wie eine Droge. Und so nimmt das Unglück seinen Lauf. Da die meisten Menschen mit ihrem Verstand identifiziert sind, sind die meisten Beziehungen auch nicht in der Liebe und im Sein verwurzelt. Sie werden zu einer Quelle des Schmerzes, dominiert von Problemen und Konflikten.

Und so leben viele Menschen jetzt alleine oder als Alleinerziehende. Sie sind unfähig, eine intime Beziehung aufzubauen oder haben bemerkt, dass sich die gleichen Dramen in kleiner Abwandlung mit wechselnden Partnern wiederholen und sind nicht mehr willens, diesen Wahnsinn weiter zu erleben.

Andere wandeln von einer Beziehung zur nächsten, von einem Lust- und Schmerzzyklus zum nächsten, immer auf der Suche nach einer flüchtigen Erfüllung durch Vereinigung mit der anderen Energiepolarität.

Andere wiederum gehen Kompromisse ein und verbleiben in gestörten Beziehungen, in denen Negativität, Langeweile, Streit oder sogar Gewalt an der Tagesordnung sind; für das Wohlergehen der Kinder, für Sicherheit, aus Angst vor dem Alleinsein, aus Gewohnheit oder aufgrund irgendeiner anderen Absprache, die beiden nützen soll.

Von den verschiedenen Spielen des Ego, den Unliebesspielen seien hier ein paar erwähnt – und warum sie nicht funktionieren, sondern eher der Aufrechterhaltung des Unglücks dienen.

Da ist erst einmal das Machtspiel:

Oft beginnt es dann, wenn die romantische Träumerei ein Ende findet. Wir sehen die Unterschiede zwischen uns und unserer/m Partner/in, sehen, dass unsere Bedürfnisse nicht in dem Maß erfüllt werden, wie wir es uns vorgestellt hatten oder wir entdecken, dass wir die Weltsicht des anderen nicht unbedingt teilen können und wollen.

Plötzlich möchte jeder in eine andere Richtung gehen, hat unterschiedliche Ziele und vertritt verschiedene Ansichten darüber, was Glück bringen wird. Intensive Gefühle der Enttäuschung, Abneigung und Wut kommen hoch. Und nun beginnt der Kampf. Wir wollen einander unbedingt ändern, damit wir unsere Bedürfnisse und Ängste nicht fühlen müssen. Alles soll so getan werden, wie es unserem Verständnis von der Welt und dem Leben entspricht. Kompromisse helfen dann auch nicht, da dies bei beiden Partnern nur dazu führt, dass sie frustriert werden und glauben, etwas verloren zu haben.

Wir setzen einander unter Druck, versuchen, Schuldgefühle zu erzeugen, stellen unsere Bedürfnisse und Interessen über die des Partners. Wir schmollen, sind beleidigt, ziehen uns zurück, reden nicht mehr miteinander oder schreien, toben und werden sogar gewalttätig.

Dieser Kampf ist absolut sinnlos, verlangt er doch vom Partner die Selbstaufgabe, d. h. genau das Gegenteil von dem, was wir uns einst erträumten, nämlich das Aufblühen unseres Selbst, weil wir uns erhofften, endlich angenommen und geliebt zu sein, wie wir sind. Selbst wenn einer nachgibt und sich den Forderungen des anderen fügt, hilft es nicht, denn nun entwickeln sich Erstarrung und Langeweile. Die Lebendigkeit, Schönheit und Liebe in der Beziehung machen sich aus dem Staub.

Ein weiteres beliebtes Unliebesspiel ist das Unabhängigkeits-Abhängigkeits-Spiel:

Eine Beziehung beginnt normalerweise mit zwei mehr oder weniger selbstständigen Menschen, die beide dann versuchen, die bevorzugte unabhängige Position einzunehmen. Je nach Vorsatz oder mehr oder weniger bewusster Einigung spielt einer den Abhängigen und einer den Unabhängigen. Die Rollenverteilung kann sich im Laufe der Beziehung durchaus ändern – oder sogar öfter mal im Laufe der Zeit – aber die Struktur bleibt gleich. Einer lebt Abgegrenztheit, Gleichgültigkeit oder „Freiheit“ aus, der/die andere Angst und Bedürftigkeit und den Wunsch nach „Intimität und Nähe“. Der unabhängige Partner hat dabei oft seine eigene Angst, Bedürftigkeit und Schmerz unter einer Maske verborgen, während der abhängige Partner seine Macht und Kraft gut versteckt hält. Einer läuft dem anderen hinterher, mal der eine hinter dem anderen, mal der andere hinter dem einen, doch die Distanz bleibt, es entsteht keine wirkliche Verbundenheit.

Erstarrung und Langeweile, das beliebte Spiel bei längeren Beziehungen:

In dieser Beziehungsform haben wir das Gefühl, eingesperrt zu sein, zu ersticken und hegen die Überzeugung, alles sei besser als unsere eigene Situation. Wir haben uns vom Partner zurückgezogen, vielleicht sogar vom Leben selbst. Vielleicht sind wir des Kämpfens müde geworden, oder wollten unseren Partner in einer Machtkampfsituation nicht verlieren und haben uns selbst aufgegeben. Oder wir haben uns in einer Situation so lange aufgeopfert, bis wir vor die Hunde gegangen sind.

Die Grundlage einer solche Beziehung ist die Symbiose, das Verschmelzen mit dem Partner statt mit uns selbst. Dann verschwimmen wir, geben uns auf, sagen weder ja noch nein, werden Wischiwaschi, und haben bald das Gefühl, vom Leben fortgerissen und überschwemmt zu werden, wir hängen in der Opferrolle fest. Wir erleben den Schmerz eines nicht gelebten Lebens  und natürlich keine Liebe in einer gleichwertigen Partnerschaft.

Diesen Unliebesspielen könnten noch weitere hinzugefügt werden, doch diese hier sind gängig und bekannt und sollten in diesem Zusammenhang genügen.

Nun mag es so aussehen, als müssten wir nur ein wenig einsichtsvoller werden, die negativen  und zerstörerischen Zyklen ausrotten, und schon wäre alles gut und die Beziehung würde wunderbarerweise aufblühen, die Liebe würde wachsen und gedeihen.

Aber leider ist das nicht möglich, solange wir weiterhin im Verstand leben. Alle Beziehungen und besonders intime Beziehungen bleiben zutiefst unvollkommen, auch wenn sie vielleicht für eine Weile perfekt erscheinen wie in der Verliebtheitsphase. Diese scheinbare Vollkommenheit wird bald der Unzufriedenheit weichen und es scheint so, als ob die meisten Liebesbeziehungen Hassliebebeziehungen genannt werden müssten. Das wird für normal gehalten. Wir mit unserer Story begegnen einer anderen Story, man will etwas vom anderen, eine Gelegenheit für Sexualität, Anerkennung und Aufmerksamkeit, Macht oder Kontrolle. Wir wollen etwas nehmen und eine Weile ist es aufregend, herauszufinden, ob wir es bekommen können oder nicht. Für eine gewisse Zeit, ein paar Monate oder Jahre, schwingt die Beziehung dann zwischen zwei Polen hin und her, bringt Vergnügen und Schmerz. Dieses Drama gibt den beiden Partnern ein Gefühl der Lebendigkeit. Doch oft werden die negativen, zerstörerischen Zyklen dann immer heftiger und immer häufiger und bald wird die Beziehung dann endgültig zusammenbrechen.

Was können wir also tun, damit dies nicht geschieht? Die Antwort ist so einfach, dass man darüber eigentlich gar keinen Vortrag halten kann. Die Antwort lautet nämlich: Nichts! Und nichts heißt: Loslassen. Loslassen von der Vorstellung, wie es sein könnte, sollte, müsste, wie es war, als wir noch verliebt waren, denn es gibt – so wie wir sind – doch sicher nichts Unsicheres als die Liebe! Loslassen von der Frage, ob es die „Wahre Liebe“ ist, ob wir füreinander bestimmt sind, ob es „karmisch“ ist oder der Seelenpartner, loslassen von der Vorstellung, dass eine Beziehung uns erfüllen müsste. Sie kann es nicht, so wie wir sind. Sie bringt den Wahnsinn in uns ans Tageslicht und ist es da nicht besser, diese Tatsache anzuerkennen und anzunehmen, anstatt Beziehungen zu vermeiden oder sich in Phantome vom idealen Partner zu flüchten? Beziehungen sind dazu da, uns bewusst zu machen, nicht glücklich.

Als bewusste Wesen können wir unsere Partnerschaft als unsere Meditation und Lebensschule erschaffen. Wir können die Liebe nicht erschaffen, nicht den Frieden und auch nicht die Harmonie, weil sie schon da sind, aber wir können einen Raum erschaffen, in dem Transformation geschehen kann, in den Liebe, Frieden und Harmonie hineinfließen können. Wenn also unsere Beziehung nicht funktioniert, ist es ein Grund zur Freude! Das, was im Unbewussten verborgen war, wird nun ans Licht befördert, eine Gelegenheit für eine Erlösung. Und was können wir jetzt dafür tun? Wiederum nichts – nichts dagegen unternehmen, denn diese Beförderung geschieht von ganz alleine, ohne unser Zutun. Das ist das Wunder, das die Liebe für uns tut. Wir müssen nur die Wahrheit darüber einander mitteilen, was gerade geschieht. „Ich liebe dich im Moment nicht. Ich bin genervt und will meine Ruhe“. Oder „Ich bin traurig und würde gerne darüber sprechen. Bitte höre mir zu“. Und dann entdeckt man vielleicht, dass Gefühle kommen und gehen, dass dies ihre Natur ist und keinesfalls in der Verantwortung des Partners. Schließlich ist dies bei allen Menschen gleich. Die Gefühle sind zwar zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich und unterschiedlich intensiv, aber sie kommen und gehen, bei allen Menschen. Und durch das Anerkennen und Akzeptieren der Tatsachen, z. B. der Gefühle, wie sie sind, entsteht eine gewisse Freiheit von ihnen. Wenn wir z. B. anerkennen und fühlen, dass da eine Disharmonie ist, dass wir uns nörglerisch, eifersüchtig, streitsüchtig oder rechthaberisch fühlen, dass da ein alter emotionaler Schmerz aus unserem Bauch hochsteigt, erkennen wir die Wahrheit dieses Momentes an und ein neues Element kommt ins Spiel. Dieses Anerkennen der Wahrheit schafft einen stillen Moment, den Raum, in dem Transformation geschehen kann. Die Disharmonie wird zärtlich und liebevoll umhüllt. In dieser zärtlichen und liebevollen Umhüllung ist die Disharmonie nicht länger disharmonisch, die Angst nicht länger ängstlich, die Wut nicht länger wütend, der Frust nicht länger frustriert. Der Schmerzkörper schmilzt dahin, die Abspaltungen in unserem Energiefeld und unserem Geist beginnen, sich aufzulösen.

„Ja, ich will das wohl gerne tun, aber mein Partner macht nicht mit“, höre ich dann manchmal von Teilnehmer/Innen aus meinen Gruppen. Doch wie viele Menschen braucht es, damit wir selbst liebevoller und bewusster werden?

Brauchen wir erst bestimmte Voraussetzungen, z. B. dass unser Partner mitzieht, damit wir bewusster und liebevoller werden? Hängt unsere Offenheit von der unseres Partners ab? Wenn wir unsere Schritte erst tun, wenn die Welt damit beginnt, können wir ewig warten. Verurteilen wir uns nicht gegenseitig für unsere Unbewusstheit. Wenn der Partner sich unbewusst verhält, identifiziert mit dem Unglückskörper und wir urteilen darüber, werden wir selbst unbewusst. Das Ego hat die Leitung, weil wir denken, wir sind „besser“ und „weiter“. Doch wir sind eigentlich nur gerade dabei, unser Selbstbild zu verteidigen. Wir verwechseln das Verhalten mit dem Wesen oder projizieren unsere eigene Unbewusstheit auf unseren Partner und halten das für sein/ihr Wesen.

Auf Urteilen zu verzichten bedeutet, die Störung zu sehen, ohne zu reagieren. Oder, wenn das nicht gelingt, die eigene Reaktion, die eigene Negativität liebevoll erlauben und umarmen. Das schafft einen klaren Raum von liebevoller Gegenwärtigkeit, der allen Wesen und allen Dingen erlaubt, sie selbst zu sein. Wenn wir in unserer Beziehung ständig oder zumindest überwiegend gegenwärtig bleiben, wird das eine große Herausforderung für unseren Partner sein. Er/sie kann diese Gegenwärtigkeit nicht lange ertragen, ohne selbst bewusst zu werden. Wenn er/sie bereit ist, gehen sie mit in diesen klaren, stillen, liebevollen Raum. Wenn nicht, wird man sich früher oder später trennen wie Öl und Wasser. Das Licht ist zu schmerzhaft für jemanden, der im Dunklen bleiben möchte. 

Doch wenn beide sich einig sind, dass die Beziehung unsere Meditation und Lebensschule sein soll, umso besser. Dann kann man einander in Ruhe lassen mit seinen Ansprüchen, einander die Gedanken und Gefühle mitteilen, sobald sie auftreten, oder jede Reaktion, sobald sie auftritt, und es entsteht keine Zeitverschiebung und kein Raum für das Unglück, vor sich hin zu schmoren und zu wachsen.

Wir können lernen, unsere Gefühle auszudrücken, ohne den anderen anzuklagen, wir können lernen, unserem Partner auf offene Art und ohne Abwehr zuzuhören, einander Raum geben, sich auszudrücken. So bleiben wir gegenwärtig. Beschuldigen, Verteidigen, Angreifen, Mauernhochziehen und Maskenaufsetzen werden dann überflüssig. Die Liebe kann beginnen, zu blühen.

Dafür möchte ich einmal ein Beispiel geben. Eine Frau hat am Tag irgendetwas erlebt, worüber sie wütend oder traurig oder beides zusammen ist und möchte das ihrem Partner mitteilen. Er hört ihr aber nicht zu, und will seine Ruhe haben. Wenn beide sehr unbewusst sind, dann fühlt der Mann sich vielleicht gleichgültig oder vermag es nicht, ihr Aufmerksamkeit und Raum zu geben, einfach nur zu sein. Grund dafür ist sein Mangel an Gegenwärtigkeit. Die aktuelle Lieblosigkeit aktiviert ihren Schmerzkörper. Dann beginnt sie, ihren Partner anzugreifen, zu beschuldigen, zu kritisieren, ins Unrecht zu setzen usw. Das wird nun für ihn zu einer Herausforderung. Er versteht nicht, was sie eigentlich will, hält ihre Angriffe für völlig aus der Luft gegriffen, „geht in den Kopf“, rechtfertigt und verteidigt sich deswegen zunächst und startet dann den Gegenangriff, wenn sein Schmerzkörper aktiviert wird. Schließlich sind beide von ihren Unglückskörpern überwältigt, völlig identifiziert mit Schmerz, Angriff und Gegenangriff, emotionaler oder vielleicht sogar körperlicher Gewalt, bis beide Schmerzkörper sich aufgefüllt haben und wieder in den Ruhezustand zurückgekehrt sind – bis zum nächsten Mal.

Und eines Tages haben die beiden die Nase voll von ihren Unliebesspielen und beschließen, die Beziehung zu ihrer Meditation und Lebensschule zu machen. Die Frau kommt nach Hause, möchte ihm etwas erzählen, er hört nicht zu, und da sieht er sich plötzlich von Feindseligkeit überschüttet. Das könnte nun für den Mann ein Signal sein, hoppla, da war ich doch mal wieder zu sehr in Gedanken. Er könnte ins Jetzt auftauchen, und ihr zuhören und gegenwärtig werden. Die Frau, die die Feindseligkeit in sich aufsteigen fühlt, könnte den emotionalen Schmerz in sich beobachten, sich dadurch die Kraft des Jetzt erschließen und ihre zwanghafte und automatische Projektion des Schmerzes nach außen beenden. Dann könnte sie ihrem Partner ihre Gefühle mitteilen. Es gibt natürlich keine Garantie, dass er ihr zuhören würde, aber er bekäme eine gute Möglichkeit, gegenwärtig zu  sein. Auf jeden Fall wäre der verrückte Kreislauf unterbrochen, in dem die beiden einfach ihre alten Verstandesmuster ausagieren würden. Wenn nun die Frau diese Gelegenheit verpasst und stattdessen feindselig bleibt, könnte der Mann seine eigene geistig-emotionale Reaktion beobachten und so Bewusstsein in seine Gefühle bringen. Auf diese Weise würde wieder dieser klarer und stiller Raum reinen Bewusstseins geschaffen – d. h. das einfache  Erkennen und Fühlen, was ist. Dieses Bewusstsein leugnet Schmerz und Disharmonie nicht ab und ist doch jenseits davon. Es erlaubt dem Schmerz, zu sein und wandelt ihn gleichzeitig um. Es akzeptiert alles und verwandelt alles. Eine Tür hätte sich ihr geöffnet, sie könnte sich geliebt und angenommen fühlen und ihm in jenen Raum begegnen. Allmählich würde sich so die Identifikation mit dem Unglückskörper lösen, die beiden könnten sich immer mehr in Gegenwärtigkeit und Präsenz begegnen. Ihre Liebe würde wachsen. Sie könnten einander immer besser verstehen und sich aneinander erfreuen, anstatt einander ins Unrecht zu setzen. Männer und Frauen sind so unterschiedlich!

Männliche und weibliche Ausdrucks- und Umgangsformen

sind einfach anders, so unterschiedlich, wie Mann und Frau eben unterschiedlich sind. Darüber sind viele Bücher geschrieben worden und einige davon sind auch sehr hilfreich. In meinen Gruppen mache ich zunehmend die Erfahrung, dass es nicht mehr interessant ist für die Teilnehmer/innen, dieses Thema anzusprechen, einfach weil die Inhalte bekannt sind. Dass die Männer vom Mars kommen und die Frauen von der Venus, darüber haben wir alle gelesen. Dass Frauen über ihre Gefühle sprechen müssen, um Klarheit zu gewinnen, Männer dagegen ihre Ruhe brauchen, dass Männer ein für alle mal sagen „ich liebe dich“ und Frauen das ständig hören wollen, dass Frauen reden, um Nähe herzustellen und Männer schweigen, dass für Frauen Aufmerksamkeit und Zuhören der Ausdruck ihrer Liebe ist, für Männer eher das Arbeiten gehen und genügend Geld zu verdienen usw. Die Frage ist, warum die Kommunikation miteinander trotzdem nicht funktioniert.

Es gibt da so ein Phänomen, dass intellektuell die Dinge klar sind, dass wir uns aber selbst nicht an diese Klarheit halten. Intellektuelle Klarheit bedeutet demnach nicht Bewusstheit oder Gegenwärtigkeit. Und so bleibt der Zwang der Verhaltensmuster und Glaubenssätze unverändert, und Bücher helfen da nur bedingt.

Wir brauchen neue Qualitäten: Hingabe, Urteilsfreiheit, eine Offenheit, die dem Leben Erlaubnis gibt, zu sein, anstatt es zu hindern, die Fähigkeit, alle Dinge, Gedanken und Gefühle in unserer liebevollen Umarmung zu halten und sie ihre eigenen Weg gehen zu lassen. Diese Energien sind weich, nachgiebig und zärtlich und trotzdem weitaus mächtiger als jedes Unglück.

In der Regel ist der denkende Verstand das größte Hindernis der Liebe für die Männer und der Unglückskörper für die Frauen, obwohl in vereinzelten Fällen auch das Gegenteil stimmt und in anderen Fällen beide Faktoren gleichwertig da sind.

In diesem Zusammenhang ein paar Worte zum Thema Homosexualität: Wenn junge Menschen beginnen, erwachsen zu werden, kann es sein, dass die Ungewissheit über die sexuelle Identität und die darauf folgende Einsicht, dass sie „anders“ sind, sie dazu bringen, aus der Identifikation mit gesellschaftlich konditionierten Gedanken – und Verhaltensmustern auszusteigen. Dann können sie die gegebenen Muster nicht ungefragt übernehmen und ihr Bewusstseinsgrad wird angehoben. In dieser Hinsicht kann es sehr hilfreich sein, homosexuell zu sein. Eine Art Außenseiter zu sein, jemand, der zu der Mehrheit nicht „dazu passt“. Das erschwert einem das Leben, aber es bringt auch Vorteile, wenn es um Bewusstheit geht. Es zwingt aus der Unbewusstheit heraus. Dann kann es natürlich aber auch passieren, dass im Laufe der Zeit eine neue Identität entwickelt wird, die auf der Vorstellung basiert, wie eine Leben mit Homosexualität aussieht, d.h. dass auch Rollen und Spiele gespielt werden, nur eben andere Stücke. Aus einer Falle ist mann/frau entronnen und in eine neue gefallen. Es kommt auf den Inhalt der Stücke nicht an, sondern auf den Spieler/die Spielerin, ob mit einer Identität gelebt wird oder aus dem Sein, aus der Liebe heraus. Leben aus dem Sein, aus der Liebe heraus, bringt  mich zum letzen Teil Vortrags, nämlich zur

Vision einer erfüllenden Liebesbeziehung

Wahre Liebe hat keinen Gegensatz, weil sie jenseits vom Verstand erblüht. Sie kommt aus der Einheit und ist von daher anhaltend. Sie ist sehr selten unter uns Menschen, genauso selten wie bewusste Menschen. Sie ist ein Seinszustand. Sie lebt nicht von außen, sie lebt tief in unserem Inneren. Wir können sie nie verlieren und sie kann uns nie verlassen. Sie ist nicht abhängig von einem anderen Körper, von einer anderen Form außerhalb von uns, obwohl es immer Formen und Situationen geben wird, die unsere Liebe spiegeln.

Sie ist das unmanifeste Leben in der Stille unserer Gegenwärtigkeit, eine zarte, feine, intensive Energie, verborgen unter den lauten Dramen des Unglückskörpers. Wenn diesem Unglückskörper die Macht genommen ist, enthüllt sie sich. Dann wird zwischen zwei Menschen wahre Kommunikation möglich, das heißt Kommunion, die Verwirklichung von Einheit und somit Liebe. Die Voraussetzung, um das Erblühen der Liebe zu erleben ist nicht geringeres, als sich von der Identifikation mit dem Schmerzkörper zu lösen.

Liebe ist nicht wählerisch, genau wie das Sonnenlicht nicht wählerisch ist. Sie bevorzugt niemanden, sie ist nicht ausschließlich. Sie schließt nicht einmal den Unglückskörper aus – d. h. wir erleben sie, wenn auch wir unser Bewerten aufgeben und uns ihrer zärtlichen Umarmung hingeben, mit allem, was ist. Dann beginnt leise und zart Glückseligkeit aufzublühen. Wenn unser Partner das Gleiche tut, spiegeln wir füreinander die Liebe wieder, die wir im Innersten fühlen. Wir erleben dann auch eine andere Art von Sexualität. Eine Sexualität ohne Fantasien, ohne Gedanken an gestern oder morgen, Sexualität aus der Gegenwart, der Stille heraus, den Körpern überlassend. Körper lieben das Lieben. In der Vereinigung kann die Liebe die führende Macht sein, nicht Spannungsabfuhr und Orgasmus. Wenn Penis und Vagina frei von Unglück sind, dann lieben sie ekstatisch. Empfindung und Wahrnehmung sind so intensiviert, dass es leicht ist, das Sein wahrzunehmen. Sein in der göttlichen Gegenwart, in der Schönheit und Süße des Lebens auf der Erde.