Penis und Vagina: ein Gespräch

Penis und Vagina: ein Gespräch

Stelle dir vor, Lingam (das tantrische Wort für Penis) und Yoni (Vagina) gehen miteinander aus. Sie haben sich schön gemacht und wollen nun einander kennenlernen. Doch um Himmels willen – wie verschieden sie doch sind! Wie sollen sie denn jemals zusammen kommen?

Lingam versucht, ein Gespräch anzufangen. Gerade heraus, wie er sich nun mal gerne gibt, fragt er sie einfach, wer sie ist.

Sie sagt ihm, sie sei das weibliche Heiligtum, das Organ für die Wahrheit und die Liebe. Dass sie geben müsse, um glücklich zu sein. „Meinem Wesen nach bin ich passiv und unschuldig, einfach und still. Tief in mir, in der Höhle ganz oben um den Muttermund herum, liegt die Quelle, jener Brunnen, aus dem die feinsten weiblichen Energien fließen. Das ist der Lotusgarten, wie die Tantriker sagen. Ich gebe aus diesem Brunnen Liebe, Glück, Kraft, Vitalität, Gesundheit und Weisheit. Fließt meine Energie frei, dann ist auch die Frau frei, zu der ich gehöre. Ich gebe die schönsten, süßesten Empfindungen von Lebendigkeit und Vereinigung. Ich weiß den Weg in die Tiefe des Seins. Ich empfinde genau,ob die Frau, in der ich wohne, geliebt wird oder nicht.“

Lingam ist begeistert. Doch plötzlich spürt er, dass Yoni traurig wird.

Sie erzählt ihm, dass das Bewusstsein der Liebe bei vielen Frauen die Vagina tatsächlich verlassen hat. Eine Vagina kann  manchmal so voller Verkrampfungen, Vergangenheit und Emotionen sein, dass sie kaum noch spürbar ist. Diese genitale Verspannung macht eine Frau rastlos, schwer und unzufrieden. Sie kennt ihre Energien aus ihrem Lotusgarten nicht und weiß deshalb nichts von ihrer wahren Weiblichkeit. Ihre bisherige sexuelle Praxis hat all ihre Empfindungen vor allem nach vorne und zur Klitoris gebracht. Das Beste, was sie dann noch aus einer Vereinigung bekommen kann, ist sexuelle Aufregung und Orgasmus.

Doch, so erfährt Lingam, Yoni sehnt sich nach der erhebenden Erfahrung einer tiefen berührenden Kommunikation mit einem liebenden Penis.

Aber stattdessen versinken Frauen in romantisch-sexuellen Vorstellungen und Tagträumen. Oder sie wenden sich frustriert und enttäuscht ganz von der Liebe ab, suchen Ersatz in Mutterschaft, Politik, Beruf oder Spiritualität.

Plötzlich wird Yoni wieder lebendig. Es gefällt ihr, wie Lingam ihr zuhört. Sie fragt ihn nach seinem Wesen und er antwortet:

„Ich bin das Herz und die Wahrheit eines Mannes. Deshalb bin ich ein Träger des Allerheiligsten. Ich bin ein Werkzeug der Liebe, des Göttlichen. Ich habe ein eigenes Bewusstsein, dass ein Mann wieder entdecken kann und eine eigene Wahrnehmung. Ich weiß genau, wie ich lieben muss und was ich in einer Vagina tun muss, um Liebe zu sein – dieses stille und zarte Schmelzen. Die Aufgabe und Fähigkeit des Herzens ist es, eine Einheit zu erfahren, seine wahre Einheit mit einem anderen Herzen.“

„Aber“, so fährt er fort, „sobald Verlangen und Bedürftigkeit das Herz eines Mannes betreten, z. B. wenn er über Sex fantasiert und dann beginnt, eine Frau zu begehren, hängt er sein Herz an erotische Fantasien, Erregung, Orgasmus und Sex, an Vergnügen statt an Liebe. Dann möchte der Mann, dass die Frau durch Kleidung, Make-up und Tanz sich als sexuell bereit für ihn darstellt. Dass sie sich seinen Vorstellungen fügt, ihn körperlich zufrieden stellt. Er ist ungeduldig und räumt der Liebe wenig Zeit ein.“

Doch Lingam ermutigt Yoni:„Wir können uns auch anders miteinander ausdrücken. In dem Moment und dem Maße wie wir präsent und entspannt statt aufgeregt und fordernd sind, können sich ganz andere Welten auftun. Dann erleben wir unsere Vereinigung wie eine Begegnung, in der unsere Energien gleichzusetzen sind mit dem Heiligsten, dem Verehrungswürdigsten, unserem wirklichen Wesen. Sie wird reale Liebe statt eines romantischen Traums. Darin gibt es keine kontrollierende Energie, keine Grobheit. Es ist die aller zarteste Feinheit und Ekstase. Es ist der höchste Ausdruck des Seins. Es ist ein Leben und ein Lieben befreit von Sorgen und Angst.

Diese Vereinigung ist die Energie, die uns sagt, wenn es dafür eine wahre, reale Basis gibt für ein Paar. Dies ist die Energie, die einer Frau sagt, wer sie ist. Sie nimmt nichts von ihr. Sie gibt ihr alles. Dies ist die Energie, die einer Frau ihr eigenes inneres Zuhause zeigt. Die einen Mann wirklich willkommen heißt, sodass er sich ganz angenommen fühlt.

Und in dieser aufblühenden Basis ist unendlicher Raum für Ausdruck, Raum für ständig eine andere Feier, ohne Spur von Wiederholung oder Langeweile!“

Yoni findet das fast zu schön, um wahr zu sein. Sie fragt sich, wie das gehen kann. Doch Lingam weiß Rat:

„Ich kann wie ein Magnet Verkrampfungen und Spannungen aus den Körpern von Mann und Frau wieder herausziehen. Das ist gar nicht so schwer, das kannst du ruhig mir überlassen. Ich bleibe einfach in dir an diesen Stellen – und die Energie kommt von alleine wieder in Fluss.“

Yoni kann sich das gut vorstellen. Erlebt hat sie es ja noch nie, aber doch, ja, das geht sicher! Dennoch braucht sie ein bisschen Zeit, um sich an all diese neuen Gedanken zu gewöhnen. Und daran, dass Lingam jetzt bei ihr ist.

Still nimmt sie ihn bei der Hand, führt ihn auf die Tanzfläche und fühlt sich ganz glücklich mit ihm, der Musik und der Enspanntheit des Moments.